Wie ich ein Callboy wurde Teil 1 – Schweiß

Mein Herz pochte wie verrückt und auf meinen Handflächen bildete sich Schweiß. Nicht nur dort! Der Schweiß rannte in Strömen von meiner Stirn. Es war sehr warm für diese Jahreszeit und ich schwitzte. Genau genommen schwitzte ich an meinem ganzen Körper. Ausgerechnet jetzt konnte ich es am Allerwenigsten brauchen, kurz vor meiner ersten Buchung.

Bereits zuvor in der übervollen U-Bahn bemerkte ich, wie sich langsam, aber stetig mehr Schweiß am Rücken bildete. Der billige Polyesteranzug, in dem ich mich wahrscheinlich für alle Menschen von Weitem schon sichtlich unwohl fühlte, tat sein übriges dazu. Tröpfchen für Tröpfchen glitten meiner Wirbelsäule entlang, zuerst langsam kriechend und später schön fließend. Freitag Nachmittag, eingekeilt zwischen all den Menschen die nur eines wollten – von der Arbeit nach Hause, versuchte ich mich ein wenig zu sammeln und den Fokus auf meine erste Klientin oder sagt man Kundin zu lenken. Ungefähr eine Stunde Fahrtzeit war hinter mich zu bringen und mit andauernder Fahrtzeit wurde ich nervöser. Es fiel mir immer schwerer mich zu konzentrieren. Die Hitze wurde immer unerträglicher, die Luft stand regelrecht in der übervollen nach Schweiß und Parfum geschwängerten Luft der U-Bahn. Mein Adrenalinausstoß stieg und stieg. Der Schweißfluss ließ sich auch nicht durch das Ausziehen meines Sakkos stoppen. Das langärmelige schwarze Baumwollhemd war am Rücken schon zu sehr angefeuchtet, was meine Gedanken abschweifen ließ. Warum durfte man nicht einfach ein Hemd mit kurzen Ärmeln tragen, das gehört zu den Dingen, die mir absolut nicht einleuchtend erschienen. Ständig wird man von den Hochglanzmagazinen mit den topgestylten männlichen Models mit Waschbrettbauch und Dreitagesbart einer regelrechten Gehirnwäsche unterzogen. Zu einem Anzug hat man ein langärmliges Hemd zu tragen. Wer kauft denn dann die ganzen Hemden mit kurzen Ärmeln? Anscheinend trägt ja auch niemand weiße Unterwäsche, aber trotzdem sind sie in sämtlichen Kleiderketten in Massen zu finden. Hasst du jetzt keine anderen Sorgen? Mein Gedankengang wurde von einem anderen abrupt unterbrochen.

Überall klebte der Schweiß an mir. Schweiß über Schweiß. Was sollte ich machen?

Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Ein männlicher Callboy, mit deinem Aussehen, das ist doch absolut lächerlich! Lauf weg, schnell! Lass es sein! Geh einfach! Meine Halsschlagader trat sichtlich nach vorne und mein Gesicht wurde rot. In meinem Kopf explodierten die Gedanken. Schneller und schneller löste einer den anderen ab. Ich war kurz vor einer Panikattacke, hatte mich schon von der Tür weggedreht und wollte davonrennen. Da wurde mir wieder schmerzlich bewusst, warum ich eigentlich hier war.

Verflucht dachte ich mir, du bist total pleite bist auf jeden dreckigen Cent angewiesen, also reiß dich zusammen du Arschloch. Außerdem hast du ja schon ein kleines Vermögen ausgegeben, um überhaupt hier zu sein. Wie von selbst überschlug mein Hirn die Ausgaben – Friseur 25 Euro, Massageöl 22 Euro, U-Bahn Ticket hin und retour 10 Euro, Pralinen 7 Euro – das waren 62 Euro, nein 64 Euro. Fuck, doch so viel!? Gut, dass ich die Rosen nicht wie eigentlich geplant, gekauft hatte, da ich nicht wusste wie ich sie heil durch die dichte Menschenmenge zur Feierabendzeit bringen sollte. Ich wollte doch nicht mehr wie 50 Euro ausgeben. Mein Schädel fühlte sich an als könnte er jederzeit explodieren.

Ich schloss meine Augen atmete tief durch und machte mir Mut. Sei jetzt einmal bitte kein Feigling und zieh es einfach durch. Meine rechte Hand hatte unbewusst eine Packung Taschentücher aus meiner rechten Hosentasche hervor gezogen. Ich öffnete die Verpackung mit der linken Hand zog ein Taschentuch heraus, verschloss die Plastikverpackung und steckte sie wieder in die rechte, seitliche Hosentasche meines grauen Polyesteranzuges. Zuerst wischte ich mir die beiden Handinnenflächen und danach die sichtbaren Schweißperlen auf meiner Stirn ab. Mehr gab das Taschentuch leider nicht her. Nachdem ich es zerknüllt hatte, schob ich es mit meiner linken Hand in die linke, seitliche Hosentasche. Ein kurzer Atemcheck konnte auch nicht schaden, ein schlechter Atem würde mir gerade noch fehlen. Also hob ich meine Rechte halb geöffnet vor der Mund, hauchte kräftig hinein und sog die Luft schnell mit der Nase ein. Gottseidank alles in Ordnung. Dann mal los. Ich streckte den Zeigefinger meiner rechten Hand und drückte den Schalter neben der Wohnungstür auf dem der Name einer mit völlig unbekannten Frau stand. Es läutete.

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