Wie ich ein Callboy wurde Teil 3 – Tom

Da öffnete sich die Tür einen kleinen Spalt und Licht trat in das spärlich beleuchtete Stiegenhaus. Meine Muskeln verkrampften sich vor Anspannung und Nervosität. Nochmals meine Gedanken sammeln und durchatmen. Gut, dass ich bis jetzt niemandem im Korridor zur Wohnung begegnet war, da ich Angst hatte durch meine Körpersprache aufzufallen. Bislang ist mir ja nur ein Man beim Betreten des Gebäudes entgegengekommen und da dachte ich ja schon es ist alles aus, noch vor meinem ersten Einsatz als Callboy. Gottseidank interessierte es den Typen nicht wer gerade an ihm vorbei ins Wohnhaus geschlüpft und über die Treppe in den ersten Stock ist, nicht einmal meinen Gruß erwiderte er. Ein hoch auf die Stadt!

Zaghaft ging die Tür immer weiter auf. Zuerst sah ich nur ihren seitlich geneigten Kopf, welcher an der Tür vorbei auf mich blickte. Stück für Stück bekam ich sie dann vollends zu Gesicht.
„Hallo! Angie! Komm rein!“, sagte sie zu mir.
„Hi! Christopher!“, antwortete ich. NEEEIN, was machst du hirnverbrannter Vollidiot, pochte es in jenem Moment in meinem Kopf, als die Worte mein Schandmaul verließen und wir uns zur Begrüßung die Hände reichten und à la Bussi-Bussi-Gesellschaft links und rechts auf die Wangen küssten, so als würden wir miteinander bereits bekannt sein. Jetzt kennt sie neben deinem Nickname – Tom – nun auch noch deinen echten Namen.

Mein Nickname war Tom. Mit diesem wollte ich mich allen meinen Kundinnen vorstellen, um anonym bleiben zu können. Außerdem ist Tom alles, was ich in der Realität nicht bin. Tom hat einen cool Job im Marketing, war schon alleine auf Weltreise, um haufenweise neuer Bekanntschaften zu machen, und auf jedem Kontinent, außer der Antarktis, hatte er schon eine flachgelegt.
Genau unter diesem Nickname war ich via SMS und E-Mail in Kontakt mit Angie. All´ die Fragen, die sie mir stellte, ließ mich erkennen, dass sie noch nie für Sex bezahlt hatte. Wozu auch? Sie ist ja eine Frau! Irgendein Typ würde Sie immer vögeln! Für mich war das Spiel nichts Neues. Lediglich die Position, die ich jetzt einnahm, war eine andere.

Genau dieses Spiel brachte mir die Schwulitäten ein, in denen ich mich nun befinde. Christopher ist nämlich nicht wie Tom. Ich bin das genaue Gegenteil – so schüchtern, dass ich mich nicht traue eine Frau auf einer Party anzuquatschen. Ich habe keinen kreativen Job im Marketing, sondern sitze Tag für Tag in einem weißen, kahlen Minibüro vor dem Computer. Von der Welt kenne ich vom Sommerurlaub her nur Italien und hier lediglich die adriatische Seite.

Irgendwann blieb ich stehen, während alle anderen weiter und an mir vorbei zogen. Schwer zu sagen wann ich den Zug des Lebens verpasst hatte. Was war bloß passiert mit mir? Ich war doch nie so ein introvertierter Stubenhocker!? Während meinem Studium gab es keine Party ohne mich! Mit mir konnte man bis 03:00 Uhr in der Früh herrlich über Gott und die Welt diskutieren. Fiel es mir doch nicht schwer meinen Standpunkt zu vertreten und mit guten Argumenten zu untermauern, weder in der Schule noch im Studium. Lediglich bei Frauen, ja bei Frauen, verschlägt es mir immer noch die Sprache. Das war leider immer so und ist weiterhin so! Es zog sich wie ein roter Faden durch mein elendes Leben.

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